Die geflügelte Ratte

seabiscuit

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25 August 2006
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gewidmet all den Rattis die bei mir schon über die RBB gegangen sind

Gelangweilt auf einer Blüte sitzend starrte Cleo durch die hellen Wolken auf den blauen Planeten.
Wie langweilig es doch hier oben war, dachte sie seufzend und schlug mit den Flügeln um eine kleine weiße Wolke von sich fort zu schieben die auf sie zutrieb.
Knuspernd schwang sie sich nun in die Luft und flatterte langsam zu Majo hinüber, die genüsslich an einem Stück Wolkenkäse nagte und sich in der Sonne räkelte.
„Duuuhuuu, Majo“ fragte Cleo schüchtern. Majo blinzelte sie hinter ihrem Käse an
„Ja Cleo?“
„Majo was machen wir hier eigentlich? Mir ist so furchtbar langweilig. Den ganzen Tag sitzen wir auf diesen Schäfchenwolken und knabbern Wolkenkäse und blinzeln in die Sonne, trinken Sonnentau und schlafen. Aber... das alles.... das ist mir zu langweilig“ sie seufzte und zuckte mit ihren kleinen Rattenschultern.
Majo runzelte die Stirn und schaute sie fragend an.
„Ich find das hier eigentlich ziemlich schön,“ sagte sie seufzend.
„den lieben langen Tag gemütlich in einer Wolke liegen, Käse futtern soviel ich will und der Sonnentau erst... hmmmmm“ genießerisch schleckte sie sich über ihr Näschen und knusperte so stark, dass ihre Augen hervorglubschten.
„Schon gut“, sagte Cleo mit belegter Stimme. Sie hatte es gewußt. Majo war da nicht die richtige Ansprechpartnerin.
Gelangweilt schwang sie sich wieder in die Luft und flog ein wenig über die Wolken, knabberte ein wenig am Wolkenkäse und nippte ein paar Tropfen Sonnentau.

Am nächsten Morgen stand auf einmal eine fremde Ratte vor Cleo, als diese gerade aufwachte.
„Hallo“ sagte Cleo verwirrt und putze sich die Müdigkeit aus den Augen.
„Sei gegrüßt“ sagte die Fremde. Sie war genauso rabenschwarz wie Cleo.
„Ich bin Skekkja,“ sagte sie mit schwingender Stimme. Als Cleo erwartungsvoll schwieg fuhr sie fort: „Ich habe gehört du langweilst dich?“
Auf einmal durchfuhr Cleo ein Schreck und sie stammelte schnell
„Nein, es ist schon toll hier...die Wolken und der Käse und der Tau...“ ihre Stimme versagte unter dem Blick von Skekkja.
„Tut mir leid,“ nuschelte sie nun und scharrte mit den Füßen „es ist schon schön hier aber... ich weiß nicht“
„Schon gut Cleo“ sagte die andere und ihre Stimme klang zum Glück nicht wütend oder verärgert.
„Manchmal gibt es Ratten hier, die sich genau so fühlen wie du jetzt. Aber mach dir keine Sorgen. Ich habe eine Aufgabe für dich!“
Aufgeregt zitterte nun Cleos Nasenhaare.
„Weißt du“ fuhr Skekkja fort „es gibt unter uns hier besondere Ratten deren Aufgabe hier etwas schwieriger ist als Faullenzen und Käse essen. So wie ich, ich hole Ratten von unten!“
„Von unten?“ fragte Cleo
„Ja weißt du denn nicht mehr?“ fragte Skekkja erstaunt. „Der Ort wo wir waren, bevor wir herkamen. Die Erde!“
Und da fiel es Cleo alles wieder ein! Die Erde, die Wohnung, Gurken und Möhren zum Abendessen, Knusperstangen und ... Menschen! Wie hatte sie das nur vergessen können.
Dieser eine Mensch der sie oft gestreichelt und geknuddelt hatte. Der mit ihr fangen gespielt und sie von gefährlich schwankenden Brettern gepflückt hatte. Der Mensch der ihr Weihnachtsplätzchen gebacken und einen großen Käfig für sie und ihre Familie gebaut hatte. Und das war nicht alles was ihr einfiel. Jetzt erinnerte sie sich auch an Skekkja und Majo und an all die anderen die sie hier auch wiedergefunden hatte. Jule, Puka, Finja, Ronja, Tailier.... all ihre Freundinnen. Ihr Famile!

„Hör zu“ fuhr Skekkja nun fort „Einige besondere von uns sind dazu auserwählt die die noch unten sind auf ihrem Weg hierher zu begleiten und ich denke, du bist eine von diesen Ratten.
„Oh... „ sagte Cleo beeindruckt. „Und... und... was muß ich da machen?“
„Du wirst es wissen!“ sagte Skekkja nur und entfernte sich, ehe sie weiter danach fragen konnte.

Und noch am selben Tag wußte sie was Skekkja gemeint hatte.
Plötzlich wußte sie, dass sie nun hinunter mußte und sie begab sich durch die Wolkendecke, hinunter in die Wohnung wo sie eine Schwarze Ratte mit weißem Bauch schwer atmend in einer Transportbox auf einer Wärmflasche liegen sah.
Ein Mensch saß neben ihr und streichelte sie. Die Ratte war schon alt und ihr Leben neigte sich dem Ende entgegen.
Cleo war sich nicht sicher... aber sie meinte sich an diese Ratte zu erinnern.
Sie ließ sich auf der Schulter des Menschen nieder und blickte hinunter in die Box.
Ja, das war Moon! Ihre alte Freundin Moon!
„Moon!“ rief sie und in diesem Moment geschah es. Moon schien sich zu „teilen“. Ein Teil blieb in der Box liegen und hörte auf zu Atmen, der andere stand auf und sah zu ihr herauf.
„Moon“ rief Cleo wieder, diesmal jedoch trauriger als beim ersten mal denn sie spürte die Trauer des Menschen auf dessen Schulter sie saß.

„Cleo?“ fragte Moon nun verwirrt und kletterte zu ihr hinauf. „Was ist passiert?“
Cleo begriff nun und begann Moon zu erklären weshalb sie hier war und was nun geschehen würde.
Moon nickte und wollte ihr schon folgen, als sie den schluchzenden Menschen wieder wahrnahmen.
Moon trat an ihre Wange, rieb ihr Köpfchen daran und blickte Cleo fragend an. Diese Flatterte zum Ohr des Menschen und flüsterte ihr ins Ohr:

„Keine Sorge meine Liebe, ich werde sie sicher nach oben bringen und sie wird nie aufhören an dich und die anderen zu denken, das verspreche ich dir. Wir werden oben auf dich warten wenn es eines Tages soweit ist werden wir alle kommen und dich zusammen nach oben geleiten wo wir und um dich scharen und dir in die Zehen zwicken werden. Sei nicht traurig, hör auf zu weinen. Es geht uns gut, wir sind glücklich und denken an dich“
Mit diesen Worten legte sie ihre kleine Pfote auf die nasse Wange und der Mensch hörte auf zu schluchzen.

Cleo drehte sich um, nahm Moon bei der Pfote und führte sie in das goldene Licht, dass sich hinter ihnen geöffnet hatte...



... für Moon, die heute in meinen Armen gestorben ist....
 
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Es tut mir sehr leid, dass du deine Ratte verloren hast. Aber wo auch immer sie jetzt ist: Sie hat deine wunderschöne Geschichte gelesen.
 
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Auch von mir ein herzliches Beileid. Der kleinen Moon geht es sicher gut, da wo sie jetzt ist.
 
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