Sagen und Legende

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Der Almgeist

Wenn im Spätherbst die Sennen mit dem prächtig genährten Weidevieh ins Tal gezogen sind, beginnt eines Tages hoch oben in den verlassenen Almhütten ein recht unheimliches Leben und Treiben. Denn der Almgeist geht um und bringt Herden, Knechte und Mägde und die nötigen Geschirre und Gerätschaften mit sich. Findet er eine Hütte, die weder durch ein Kreuzzeichen noch durch die Anfangsbuchstaben der Dreikönigsnamen gegen nächtlichen Spuk gefeit ist, dann nimmt er mit seiner Geisterschar darin Wohnung und das unselige Gesinde muß melken und Butter rühren und Käse bereiten. Und ist das geschehen, so befiehlt der Almgeist mit drohenden Worten, die Milchgeschirre blitzblank zu säubern und die Kühe zu striegeln und ihnen frische Streu einzulegen. Alle diese Arbeiten werden unter Schimpfen, Heulen und Fluchen getan - und dann zieht die gespenstische Schar zur nächsten Hütte!
Trifft der Almgeist auf seinen Streifzügen einen Menschen, so ist's um den geschehen! Er gehört fortan zum Gefolge des rätselvollen Geistes und muß ihn bis zum Jüngsten Tag begleiten und mit den anderen schreien, streiten und Nacht für Nacht bis zur Erschöpfung arbeiten. Überdies darf der Arme sich gar manche Tracht Prügel gefallen lassen! Einmal aber gelang es einem Jäger auf der Rettenbachalm bei Ischl, den Almgeist samt seinem lärmenden Gesinde zu vertreiben; denn er hatte zum Glück einen Dackel, dem zwei helle Flecken über den Augen saßen, bei sich - und außerdem ein Dreikreuzmesser!
Alle unholden Geister fürchten ein Dreikreuzmesser über die Maßen! Denn weißt du: die drei Kreuze, die in Griff oder Klinge des Messers eingeprägt sind, haben große Macht! Sie stillen das Bluten einer Wunde, sie heilen Geschwülste, sie lassen Verlorenes auffinden - und sie verscheuchen sogar den Teufel samt all seinen bösen Engeln. Und wird solch ein Messer gestohlen, so verwundet sich der Dieb damit selbst und der Stich kann nie mehr vernarben.
Wie gut also, daß der Jägersmann gerade damals sein Dreikreuzmesser bei sich trug, als der Geisterschwarm daherbrauste! Von weitem schon sah es der Almgeist in des jungen Jägers Hand blinken; da rief er seiner Horde mit machtvoller Stimme zu: "Dort sitzt einer mit einem vieräugigen Beißer und einem Dreikreuzmesser - fort, nur geschwind fort mit uns allen!" Im Nu entschwand die Gespensterschar klagend in die dunkle Nacht. Der Jäger blieb damit vor ewiger Knechtschaft bewahrt. Heutzutage gibt es nur mehr wenige echte Dreikreuzmesser im Salzkammergut. Und so ist es geraten, die verlassenen Almhütten im Spätherbst und Winter lieber zu meiden; denn der Almgeist geht um! Auch noch in unseren Tagen!

Quelle: Sagenschatz aus dem Salzkammergut, Iolanthe Hasslwander, Steyr 1981
 
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Der weiße Hirsch

Vor ungefähr sechzig Jahren lebte in der Flachau ein gewisser Premstaller, Holzarbeiter, weit und breit als gefürchteter Wildschütz bekannt. Der stieg eines Tages über die Marbachalpe das Penzeck hinan und wählte hoch oben über den Eiswänden seinen Stand auf Gemsen. Auf einmal knistert's und raschelt's im Laub, Premstaller fahrt blitzschnell mit dem Stutzen an die Wange, läßt ihn aber erschreckt sofort wieder sinken, denn wenige Schritte vor ihm steht ein blendendweißer Hirsch, dessen feurige Augen minutenlang auf ihn gerichtet sind. Endlich macht das unheimliche Tier kehrt und ist ebenso rasch, als es erschienen, wieder verschwunden.
Von Angst erfüllt und in tiefe Gedanken versunken kehrt der Wildschütz heim und gelobt sich, nie mehr auf die Jagd zu gehen; denn er wußte nur zu gut, daß der, welchem ein weißer Hirsch begegne, Schaden an seinem Leben nehme. Nach und nach vergaß jedoch Premstaller seines Gelübdes, die alte Leidenschaft erwachte in ihm aufs neue; er wagte es wieder einmal und ging auf die Jagd. Er hatte sein Schicksal selbst heraufbeschworen; nimmer kehrte er lebend zurück. Vierzehn Tage später fand man seinen Körper ganz zerschellt unter den Eiswänden.

Anmerkung:

In Österreich ist es ein weit verbreiteter Glaube, daß ein Jäger, der einen weißen Hirsch, also einen Albino-Hirsch, erlegt, noch vor Ablauf eines Jahres sterben werde. (Dieses Motiv wird u. a. mit Erzherzog Franz Ferdinand in Verbindung gebracht: Er war begeisterter Jäger und soll 1913, knapp ein Jahr vor seiner Ermordung durch ein Attentat in Sarajewo am 28. Juni 1914, einen weißen Hirsch geschossen haben.)
Im Dezember 1992 zeigte sich in einer Plauderrunde in Vorarlberg ein Bekannter - ein mehr als 80jähriger ehemaliger Abgeordneter des Bundesrates und Jäger - überzeugt, daß dies stimme. Er betonte, drei Fälle von Jägern zu kennen (er nannte sogar die Namen der Betroffenen), die bald nach dem Erlegen eines Albino-Hirsches gestorben seien.

Quelle: R. von Freisauff, Salzburger Volkssagen, Bd. 1, Wien/Pest/Leipzig 1880, S. 380 f, zit. nach Leander Petzold, Sagen aus Salzburg, München 1993, S. 252.
 
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591. Sterne und Sternbilder

Wie für die seefahrenden Völker des Altertums, so hatte der gestirnte Himmel auch für die einsam lebenden Sennen und Hirten eine große Bedeutung, solange die Uhren noch nicht aIlgemein verbreitet waren. Während heutzutage viele keinen einzigen Stern mehr kennen, gab es früher noch manche Bauern, die sogar eigene Namen für Sternbilder hatten. So z. B. wurde wohl das Sternbild der Cassiopeia "die drei Stäbe" genannt. Nach dem Stande dieser Stäbe bestimmten die Leute in früher Morgenstunde die Zeit mit ziemlicher Genauigkeit. Ein anderes Sternbild hieß „der Meister und der Knecht". Vor einem Jahre, in dem der Meister dem Knecht nachfolgte, sagte man, daß dieses ein gutes sei. Dann aber müsse der Große dem Kleinen zu Willen sein, im ändern FaIll war es umgekehrt. Ein heller Stern, der von einer Anzahl von kleineren umgeben war, hieß die „Gluckhenne", weil die kleinen Sternlein mit dem größeren über die Himmelswiese dahin wandeln wie die Küchlein, die mit ihrer Mutter über die Wiese wandern.
Sah man einen Stern fahren — so nennt man den Sternschnuppenfall — so hielt man dies mancherorts für ein böses Vorzeichen; jemanden aus der Verwandtschaft sollte das Lebenslicht ausgelöscht werden, wie das Licht des Sternes erlosch. Das war eben sein Stern gewesen. Jeder Mensch hat seinen eigenen Stern am Himmel. Andere wieder nehmen es nicht so tragisch, wenn sie einen fahrenden Stern erblicken, sondern sie suchen so schnell als möglich drei Wünsche zu tun, weil alle drei erfüllt würden, wenn sie gemacht wären, bis der Stern nicht mehr gesehen wird. Schon viele haben den ersten getan, aber zum zweiten und dritten sind die meisten zu spät gekommen. Wenigstens weiß niemand einen zu nennen, dem diese Wünsche erfüllt worden wären.


Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 591, S. 310f
 
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Wie die Schwalbe Feuer aus der Hölle holte

Gott befahl der Saatkrähe Feuer aus der Hölle zu holen. Die Saatkrähe ist zur Hölle geflogen, direkt zum Ofen, um nach dem Feuer zu greifen. Doch der Teufel bemerkte sie, fasste sie fest und tauchte sie in ein Teerfass. Die Saatkrähe wäre fast umgekommen, doch zu rechter Zeit schaffte sie noch, den Schnabel herauszustrecken. So konnte sie sich retten. Auf die Erde zurückgekehrt bemerkte sie, dass sie ganz schwarz war, nur der Schnabel war weiß geblieben.

Dann schickte Gott einen Storch, um Feuer aus der Hölle zu holen. Den Storch bemerkte der Teufel, der an der Schwelle zur Hölle lauerte, griff nach einem Holzscheit und prügelte ihm damit auf den Rücken. Der Storch erschrak und eilte auf die Erde mit einem schwarzen Fleck auf dem Rücken zurück.

Letztendlich schickte Gott die Schwalbe Feuer holen. Sie flatterte in die Hölle rein, griff nach dem Feuer und kehrte schnellstens um. Der Teufel wurde ihrer gewahr, nahm eine Flinte in die Hand und schoss auf sie los, traf aber nur auf den Schwanz und spaltete ihn entzwei. Dafür erlaubte Gott der Schwalbe, mit dem Menschen unter einem Dach zu wohnen und zum Andenken liess er ihr eine rote Kehle.

Quelle: Übersetzung aus dem Litauischen von Vilija Gerulaitiene.
 
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Beowulf

Im Gotenreiche, das der weise König Hygelac beherrschte, lebte vorzeiten der junge Beowulf, der zu des Landes tapfersten und stärksten Kriegern zählte. Schon als Knabe hatte er sich durch seine Kühnheit hervorgetan, als er einst in voller Rüstung weit ins Meer hinausgeschwommen war, um die Seeungeheuer zu bekämpfen. Eine ganze Nacht hatte er dort in dem brandenden Meer zugebracht und viele der Unholde, die ihre Fangarme nach ihm ausstreckten, besiegt.
Eines Tages kam an des Königs Hof ein dänischer Spielmann, der sang von der herrlichen Burg, die sein Herr, der König Rudigar von Dänemark, sich erbaut hatte. Staunend hörten die Helden von den säulengeschmückten, schimmernden Hallen, und mit Ingrimm vernahmen sie von Grendel, einem schrecklichen Moorgeist, der dort sein Wesen trieb und den König mit seinen Mannen in Furcht und Schrecken hielt.
Nachdem der Sänger sein Lied beendet hatte, trat Beowulf vor König Hygelac und bat um Urlaub. Er wollte den Kampf wagen und den Dänenkönig aus seiner schweren Bedrängnis befreien. Der König und seine Ratgeber billigten die gefährliche Reise, obgleich ihnen der tapfere Beowulf lieb war.
Mit vierzehn Waffengefährten bestieg der junge Recke ein wohlausgerüstetes Schiff, fuhr übers Meer und erreichte glücklich Dänemarks Küste und die Hirschburg, die mitten in der Heide lag. Wie staunten die Goten, als sie das mächtige Bauwerk mit Türmen und Zinnen erblickten, das in der Morgensonne funkelte und glänzte wie Walhall, der herrliche Wohnsitz der Götter!
Der alte König Rudigar empfing die Gäste freundlich und ließ sie ihre reisemüden Glieder ausruhen. Aber nur mit Sorge hörte er von dem Entschluss Beowulfs, den grimmigen Moorgeist zu bekämpfen. "Schon so viele meiner besten Mannen hat er umgebracht", seufzte der König, "dass wir uns zur Nachtzeit immer vor ihm bergen müssen."
Beowulf jedoch blieb entschlossen, Grendel zu besiegen oder sein Leben zu lassen.
Als die Dämmerung kam, wagte keiner der Dänenkrieger, in der Halle zu bleiben. Beowulf aber gebot seinen Kriegern zu ruhen. Er selber löste den Harnisch und legte das Schwert beiseite; denn er wusste, dass der Unhold Grendel mit Waffen nicht zu besiegen war. Auch wollte Beowulf den Kampf mit dem Gegner unter gleichen Bedingungen bestehen.
Mitternacht war es, als ein riesenhafter Schatten lautlos über die Schwelle glitt. Er griff nach dem ersten der schlafenden Gotenkrieger und verschlang ihn. Dann streckte er seine gewaltige Faust nach Beowulf aus. Dieser ergriff sie mit solcher Kraft, dass der Unhold wild aufbrüllte. Nun begann ein hartes Ringen, immer fester umklammerte Beowulf den feuchten, scheußlichen Leib. Die Halle erbebte unter dem Stampfen der Kämpfenden, und todesmutig stürzten die Gotenkrieger herbei, ihrem Herrn zu helfen. Doch nicht Schwert noch Speer konnten der Zauberkraft des schrecklichen Grendel etwas anhaben. Um so fester aber war Beowulfs klammernder Griff. Zwar entkam ihm der Unhold mit grausigem Geheul, aber den Arm samt der Achsel musste er dem Helden zurücklassen.
Die dänischen Recken eilten herbei, mit Grauen und mit Jubelruf bestaunten sie Beowulfs Siegesbeute. Man folgte der Blutspur des Todwunden, die sich durch die Heide bis an den Rand des brodelnden und gärenden Moores hinzog. Schon auf dem Heimritt kündete der Sänger in einem Preislied von Beowulfs Tat. Zu Ehren des Helden ließ König Rudigar ein großes Fest herrichten und beschenkte Beowulf und seine Männer mit kostbaren Gaben.
Bis in die Nacht währte das Fest bei Met und fröhlichem Saitenspiel, bei Jubel und Becherklang.
Doch es gab ein schreckliches Erwachen. Denn war Grendel auch tot, so lebte seine Mutter, das schreckliche Moorweib. Lechzend nach Rache, mit Feuerflammen in den Augen, stieg sie aus der Tiefe des Moores herauf, folgte der Todesspur ihres Sohnes und drang in die Hirschburg ein. Sie packte den ersten besten der Schlafenden, einen Vertrauten König Rudigars, schlug ihre Krallen in seinen Leib und entkam mit ihrer Beute, ehe die Krieger zum Schwerte greifen konnten. Wie Hohn hallte aus der Ferne das schrille Gelächter der Unholdin durch die Nacht.
Entsetzt über solchen neuen Frevel standen die Goten ratlos. Doch Beowulf sprach ihnen Mut zu. "Allvater hat den Weltenlauf so geordnet," rief er, "dass gute Tat den Sieg behält über bösen Spuk und über alle bösen Geister!"
Dann ritten Rudigar und Beowulf mit ihren Mannen dem Grendelmoore zu, dessen brodelndes Brausen schon aus der Ferne zu hören war. Die Pferde bäumten sich, zitterten vor Furcht, je mehr sie sich dem unheimlichen Ort näherten. Auch den Waffengefährten bebten die Hände, als sie Beowulf wappneten. Der junge Recke wandte sich zum Abschied an König Rudigar, dann fasste er seinen mächtigen Speer und sprang in voller Rüstung in die gähnende Tiefe.
Auf dem Grunde des Moores musste er einen Kampf auf Leben und Tod mit dem furchtbaren Moorweib bestehen. Mochte Beowulf auch sein gutes Schwert Rausching auf ihr Haupt niedersausen lassen, der Zauber schützte sie vor jeder Verwundung. Sie packte den Helden mit den Eisenkrallen ihrer Hände, trug ihn in ihre trockene Halle und rang ihn mit übermenschlicher Kraft zu Boden. Nur der gute Harnisch schützte Beowulf vor dem Tode. Da gewahrte er an der Wand des Gewölbes ein altes Schwert des Riesengeschlechtes, eine Waffe aus der Vorzeit. Es gelang ihm, dieses zauberstarke Schwert zu fassen, und mit ihm tötete er die Moorfrau. Dann schlug er Grendels Leichnam, den er in der Halle fand, das Haupt ab.
Lange Stunden hatten die Waffengefährten auf Beowulfs Rückkehr warten müssen. Wie jubelten sie, als der Strudel ihn plötzlich jäh in die Höhe riss und aus dem quirlenden Schaum emporhob! Bei sich führte er als Siegeszeichen den Schwertgriff der Riesenwaffe und das blutige Haupt Grendels.
Bald darauf schied Beowulf reich beschenkt von Rudigars Hofe. Der greise König, dem der Abschied sehr schwer fiel, vergoss Tränen des Dankes, als er den Helden ziehen ließ.
In hohen Ehren diente Beowulf nun wieder seinem König im Gotenlande. Als Hygelac und sein Sohn darauf im Kriege unter den scharfen Schwertern der Friesen den Tod fanden, schien niemand würdiger, die Krone zu tragen, als der tapfere Beowulf. In Milde und Gerechtigkeit führte er das Zepter, und kein Feind wagte es, sich gegen ihn und sein Reich zu erheben.
Doch eines Tages wurde der Friede plötzlich gestört. Feuersglut wälzte sich von den Bergen herab in die friedlichen Täler und verbrannte Burgen und Gehöfte, mit dem Morgen klomm der Brand wieder die Höhen hinan. Und Nacht für Nacht geschah das gleiche.
Ein Drache war es, der sich dort oben im Gebirge eingenistet hatte. König Beowulf, ob er auch alt geworden war, zögerte nicht, den Kampf gegen das Ungeheuer aufzunehmen. Er ließ sich einen Schild schmieden, der ihn vor dem Drachengift schützen sollte, und wagte mit elf ausgewählten Männern den furchtbaren Kampf. Ein Funkenregen sprühte über die Helden hin und nahm ihnen den Atem. Beowulf versuchte, den Kampf gegen den feuerspeienden Drachen allein zu bestehen; aber an der Zauberkraft der schuppigen Hornhaut zersprang sein gutes Schwert, und er empfing von dem Ungeheuer eine schwere Wunde. Seine Gefährten hatten sich in den Wald geflüchtet. Nur Wiglaf, sein treuer Waffenbruder, kam ihm zu Hilfe und traf den Drachen in die ungeschützten Weichen. Und Beowulf, obwohl aus furchtbaren Wunden blutend, stieß dem Untier den Speer in die Seite, dass sein glühender Atem verwehte und es röchelnd verendete.
Aber der Sieg über das Ungeheuer kam die Goten teuer zu stehen; denn der Drache riss Beowulf, den herrlichen Helden, mit sich in den Tod: das Drachengift und die schweren Wunden hatten Beowulfs Lebenskraft zerstört. Bevor Beowulf starb, hatte er Wiglaf die Schätze vor sich ausbreiten lassen, die er dem Drachen entrissen hatte.
Mit hohen Ehren bestatteten die Goten ihren toten Heldenkönig, der ein Vorbild tapferen, ruhmreichen Lebens gewesen war. Ein mächtiger Scheiterhaufen wurde aufgeschichtet, auf dem Beowulf in blinkender Rüstung, so wie er stets zum Kampfe ausgezogen war, ruhte; er sollte nicht waffenlos einziehen in die strahlende Halle der Götter. Die Edelinge umritten den riesigen Feuerbrand, und dann errichteten sie einen hohen Grabhügel am Vorgebirge, der weithin über die See sichtbar war. Der fluchbeladene Schatz wurde - wie es Beowulf befohlen hatte - dem Helden mit ins Grab gegeben.

Europa >> Westeuropa >> England
 
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Der Mythos von der Datura

Erst zehn Tage, nachdem Kauymali die Sonne gezähmt und die Seuche durch seine Gesänge und Tänze hatte verschwinden lassen, machte ein böser Schamane, Kieli Tewiali, das Volk verrückt, um es dazu zu bringen, für seine eigenen falschen Gesänge zu zahlen.
Durch das Prasseln des Feuers hat Tatevali dem Kauymali gesagt, dass große Unglücksfälle auf das Volk nicht zukommen würden, solange seine eigenen Gesänge wieder gesungen würden. So hat die Seuche noch einmal die Welt überfallen. Dann hat Kauymali gesungen, und dabei trug er seinen Schamanenhut mit den Rasseln der Klapperschlange. Dadurch ist es ihm gelungen, sich der Teaka, eines sehr heiligen Steins, der die Leute krank machte, zu bemächtigen. Die Teaka ist ins Feuer gelegt worden. Die Tiere sind mit Kräutern eingerieben worden, damit sie gereinigt wurden. Das verdorbene Kraut ist dann verbrannt worden.
Obwohl der Daturamann die ulu-tuweli gemacht hatte, hat Kauymali sich nicht erschrecken lassen. Es ist ihm gelungen, diese Pfeile zu nehmen und sie gegen die Tiere und gegen das Korn zu schießen, obwohl der Daturamann den vier Richtungen der Erde den Blumenstaub der Datura geschenkt hatte.
Mit einem Zauberlied hat Tatevali dem Kauymali befohlen, dass er den bösen Schamanen, Kieli Tewiali, fange und ihm das Ohr und die große Zehe abschneide, damit er einen Teil seines Blutes haben könnte. Dies war die Strafe, die der Daturamann für seine Hexerei erhielt.
Danach hat er dem Kauymali befohlen, dass er den bösen Schamanen festbinde und ihn zum Feuer in den Tempel bringe. Dann hat er befohlen, dass er den Daturamann verbrennen und an einem weit entfernten Ort begraben solle. Als dies gemacht wurde, ist ein Stein, der am Platz seines Herzens war, aus der Brust der verbrannten Leiche des Zauberers herausgefallen. Obwohl die Sonne die mächtigen Götter des Meeres fürchtete, hat sie sich dazu entschlossen, dem Daturamann zu helfen, und dieser hat versprochen, dass er der Sonne in ihrem Kampf gegen die Götter des Regens helfen würde. So hat die Sonne den Daturamann wieder erweckt und seine Natur weniger böse gemacht. Sie hat ihm eine 'rancheria' gegeben; diese lag in der Nähe des Meeres, dort, wo es fünf Felsen gibt. Dort wuchs die Datura. Der böse Schamane hat ein Stückchen davon genommen, und von diesem Moment an konnte er den 'peyote' nicht mehr anrühren. Er hat Tänze in der gleichen Art vorbereitet, wie sie noch heute bei den Huichol ausgeführt werden. Danach hat er die Ausübung der schwarzen Magie, die von einigen bösen Huicholleuten noch ausgeübt wird, angefangen.
Die großen Götter des Meeres haben dem Daturamann ein weibliches Gürteltier geschickt, und es ist seine Frau geworden. Vorher war es eine Gottheit des Meeres gewesen, aber die Götter des Meeres haben sie in ein Gürteltier verwandelt, damit es bei dem Daturamann, der eher böse als gut war, leben würde. Es hat das Zuckerrohr der Huichol gegessen. Die ersten Male hat es sie gegessen, um danach die Samen in die vier Richtungen auszustreuen. Es ist ihm auch befohlen worden, dass es die Raupen und Insektenlarven esse. Das Gürteltier hat noch heute diese Angewohnheit.

Quelle: (Amerika>>Nordamerika>>Mexiko>>Huichol)
 
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Der Schmied von Mitterbach

Vor vielen Jahren lebte zu Mitterbach ein Schmied, der hielt sein Hauswesen schlecht instand und vertat alles in Trunk und Spiel. Er wusste sich bald nicht mehr zu helfen und rief den bösen Feind um Beistand an. Dieser stellte sich ungesäumt ein, und der leichtfertige Schmied verschrieb sich ihm mit Leib und Seele; mit seinem eigenen Blut unterfertigte er den Vertrag: der Teufel solle ihn haben, wenn der Böse ihm nur drei Jahre lang in allem zu Willen sei.
Der Mitterbacher schwelgte nun in Lust und Freuden und warf das Geld mit vollen Händen zum Fenster hinaus, so dass sich die ganze Nachbarschaft höchlich darob wunderte.
Doch bald war die bedungene Zeit um, und Luzifer kam abends in des Schmiedes Stube und machte Miene, sich auf die Ofenbank zu setzen. Aber die Schmiedin wollte dies nicht zulassen, sondern brachte mit zierlicher Höflichkeit einen gepolsterten Stuhl aus dem schönen Stüble herbei. Luzifer fragte nach ihrem Ehegatten. Die Schmiedin erwiderte, ihr Mann schlage den Rossen des Wirtes in der Schenke Eisen auf. Das war aber nur Weiberlist; denn in seiner großen Angst und Not hatte der Schmied seiner Ehefrau das Geheimnis seines Vertrages geoffenbart. Des Schmiedes Frau trug nun dem Bösen gut Essen und Trinken auf und sandte den Gesellen nach dem Schmied, ihrem Mann, der sich indessen bei einem alten Großmütterlein im Dorfe Rat holte. Diese war eine kluge Frau, eine bekannte Wahrsagerin und mit allerlei Zauberkünsten vertraut.
Der Mitterbacher kam schließlich fröhlichen Mutes nach Hause und ging den Satan höflich an, seine Lebensfrist zu verlängern.
Der aber schlug das Verlangen rundweg ab und mahnte den Schmied zum Aufbruch. Als beide hinter dem Haus durch den Garten gingen, wo die Kirschbäume voll reifer Früchte hingen, bewog der Schmied den Teufel, auf einen Baum zu steigen und ihm als letzte Gunst einige Kirschen zu brocken. Der Teufel wollte, nachdem er genug abgepflückt zu haben wähnte, wieder vom Baum herabsteigen, aber siehe da! Inzwischen hatte der Schmied mit einer weißen, wundertätigen Kreide, die ihm die kluge alte Wahrsagerin gegeben hatte, einen Kreis um den Baum gezogen - und der Satan saß wie angepicht auf dem Aste.
Da rief ihm der Schmied zu, er solle den Vertrag herab werfen, dann wolle er ihn loslassen. Der Höllenfürst wollte dieser Aufforderung lange nicht nachkommen. Endlich schleuderte er dem harrenden Mitterbacher eine falsche Urkunde herab. Doch dieser erkannte den Betrug, und so musste der Teufel fletschend und heulend und unsäglichen Gestank verbreitend viele, viele Stunden auf seinem luftigen Sitz verbringen. Indes nahte die Geisterstunde ihrem Ende, und der Teufel geriet in Gefahr, seine Herrschaft auf immer zu verlieren. Das machte ihn mürbe, wie man leicht begreifen wird.
Er drehte sich ein Hörnlein ab, nahm daraus ein vergilbtes Zettlein Pergament und warf es dem Schmied zu, der das Schriftstück als die echte Handschrift erkannte, worauf er den Vertrag in tausend Fetzen zerriss. Dann zog er einen Kreis mit schwarzer Kreide, die von seltsamer Wunderkraft war. Der Satan aber fuhr wie der Wind, großen Gestank verbreitend, sogleich in alle Lüfte davon.
Aber wer sich einmal mit der Hölle eingelassen hat, der ist ihr verfallen und vermag sich nimmer loszumachen. So erging es auch dem Mitterbacher. Er verschrieb sich dem Teufel zum zweiten Mal, doch diesmal nahm der betrogene Satan sich wohl in Acht, neuerlich geprellt zu werden. Nach Ablauf der Zeit bat der arme Sünder, es möchten ihm nur noch drei irdische Wünsche erfüllt werden, weil er nun doch sein liebes Weib und seine Kinder verlassen müsse; seien die Wünsche erfüllt, dann zöge er gern mit fort in die Hölle. Und mit seinen Bitten vereinte die Frau ihr Flehen, und die jungen, rotbäckigen Töchterlein des Schmiedes streichelten dem Geißfuß die haarige Wange und drangen bittend in ihn. Da wurde der alte Griesgram weichherzig und konnte nicht mehr widerstehen.
Der erste Wunsch aber lautete: über Nacht sollten alle Felder, Wiesen und Gründe des Schmiedes mit einer Mauer aus Quadersteinen umgeben sein, zehn Schuh hoch und fünf Schuh dick. Diesem kühnen Begehren wurde völlig entsprochen; denn als der Mitterbacher morgens aufstand und in seinem Besitztum umherwanderte, sah er eine so starke, prächtige Mauer, wie man sich's kaum denken kann. Hierauf bestieg der Schmied seinen Schimmel. Der lief so schnell wie ein Lauffeuer; der Schmied aber trug dem Teufel auf, so eilig den Weg vor ihm zu pflastern und hinter ihm wieder aufzureißen, als er reite. Auch dies Verlangen wurde erfüllt, obgleich der Mitterbacher ritt, bis der Gaul verendet hinfiel.
Nun wusste der Schmied nicht mehr, was er noch wünschen könne, und ging deshalb zu der weisen Frau im Dorfe. Diese sagte ihm, er möge dem Teufel eine Locke der krausen Haare seines Kopfes zum Geradeschmieden geben. Da zupfte sich der Schmied, froh, solche Auskunft erhalten zu haben, eine Locke aus und gab sie dem Luzifer zum Geradeschlagen. Dieser klopfte gewaltig auf das Haar los, bis er die Unmöglichkeit des Beginnens begriff. Voll Ärger und Verdruss fuhr der Teufel unter lauten Drohungen davon.
Der Mitterbacher aber, verblendet und frech gemacht durch die wiederholte unverhoffte Rettung, verschrieb sich zum dritten Male dem Teufel und musste nach Ablauf der Frist ohne Gnade und Barmherzigkeit in die Hölle hinab.
In der Hölle gibt es einen Ort, wo nur solche Menschen hinkommen, die auf der Welt niemand erschlagen, keinen Raub noch andere schwere Verbrechen begangen, sondern nur in Trunk, Spiel und bei anderer Kurzweil ihre Tage verbracht haben. Dort sitzen die lustigen Brüder in einer pechschwarzen Rauchkammer, die gar unheimlich von Spanlichtern erhellt ist. Diese Männer trinken Bier und Schnaps, schnupfen, rauchen, spielen Karten, streiten, raufen, werden wieder gut mitsammen, singen und schnaderhüpfeln. Doch einschenken und Span putzen müssen die Teufel. Diese aber zwicken in ihrer angeborenen Bosheit manchmal die Spieler mit glühenden Zangen und tun ihnen sonst allerlei Übles an; die geplagten Häftlinge aber können sich dagegen nicht wehren und auch keine Rache nehmen an den boshaften Plagegeistern.
Als die Bewohner der Rauchkammer nun den Mitterbacher, der einen Schnappsack, wohlgefüllt mit seinem Handwerkszeug, über den Rücken geworfen trug, mit dem Oberteufel hereinkommen sahen, waren alle freudig bewegt, weil sie schon gar manches lustige Stücklein von jenem Schmied gehört hatten.
Der Schmied aber setzte sich gleich an einen Tisch und begann nach tapferem Begrüßungstrunk ein Spielchen zu machen. Aber bald geriet er mit den Teufeln in Streit, die auch ihn mit ihren Teufeleien nicht verschonten. Da griff der ungebärdige Mann nach seinem guten Hammer, schlug die Hörnleinmänner tüchtig nieder und brachte sie alle nach mannhaftem Kampf in seinem Schnappsack unter, wo er sie mit seiner Beißzange noch gehörig zwickte. Die Teufelchen schrieen um Gnade; der Fürst der Hölle aber entließ den Schmied schleunig, weil er so gewalttätig war. Stolz warf der Mitterbacher den Sack mit den kläglich zugerichteten Teufeln in eine Ecke, sagte den fröhlichen Kameraden ein freundliches Lebewohl und ging rasch von dannen, in den Fäusten Hammer und Zange haltend.
Der Mitterbacher ging nun geradewegs dem Himmel zu und klopfte da nach seiner Art mit dem Hämmerlein an die Pforte. Aber St. Petrus öffnete nicht. Da wurde der Schmied zornig, drückte die Tür mit Gewalt ein, warf Petrus die Himmelsleiter hinab und drang bis vor Gottes Angesicht. Gott aber rief ihm zu: "Weiche, Verworfener, und wandere in alle Ewigkeit! Du gehörst nicht in den Himmel, taugst nicht in die Hölle und kannst nimmer zur Erde zurückkehren."
Seitdem wandert der Schmied von Mitterbach umher, man weiß nicht wo, doch muss er wandern in alle Ewigkeit.

Quelle: (Europa>>Mitteleuropa>>Deutschland>>Bayern)
 
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DIE RACHE DES BERGGEISTES

Ein Knappe hatte eine wunderschöne Stimme. Ersang viel und wurde überall gerne gehört. Bei Gesang floß ihm die Arbeit munter fort, und sehr oft hörten die Kameraden seine Stimme in den unterirdischen Räumen des Erzberges ertönen. Als einst der Knappe bei der Arbeit in der Grube sang, bemerkte er, daß ihm ein kleines, bärtiges Männchen, welches eine Kapuze über den Kopf gezogen hatte, zuhörte. Der Knappe machte sich anfänglich aus dieser Nachbarschaft nicht viel und sang lustig fort; mit der Zeit aber wurde ihm unheimlich zumute, und er hörte vom Singen auf. Da trat das Bergmännchen zu ihm und sagte: "Singe, und ich will für dich arbeiten!" Damit war der Knappe zufrieden, und er sang, während das Männchen für ihn arbeitete. Da die Arbeit des Berggeistes mehr ausgab als die der gewöhnlichen Menschen, so erhielt der Knappe weit größeren Lohn. Wohl dünkte es den übrigen am Erzberge, es gehe dies nicht mit richtigen Dingen zu. Sie spähten ihm nach, sahen aber nichts Auffälliges; denn der Berggeist wußte es so einzurichten, daß jeder nur den Knappen arbeitend fand, während dieser aber eigentlich nichts tat, als singen.

So hatte der Sänger das schönste Leben und Geld im Überflusse. Dabei hütete er das Geheimnis, denn der Berggeist hatte ihn mit furchtbarster Rache bedroht, wenn er jenes preisgeben würde. Seine Kameraden wollten aber um jeden Preis dahinter kommen, zogen ihn mit sich ins Wirtshaus und zechten mit ihm über Gebühr. Da, im angeheiterten Zustande, verriet der Knappe das Geheimnis. Kaum aber war dieses heraus, als er plötzlich nüchtern wurde und nun vor der Rache des Berggeistes zitterte. In der Ahnung des nahen Todes ging er zur Kirche, beichtete und empfing das heilige Abendmahl.

Als der Knappe tags darauf in die Grube fuhr, wartete seiner schon der ergrimmte Gnom und hielt ihm den Bruch des Schwures vor. Darauf faßte er ihn mit Riesenkraft, schleuderte ihn in einen bereitstehenden Hunt, und fort brauste das Gefährt. Vor dem Eingange des Stollens aber saßen jene, die den Unglücklichen verführt hatten und lauschten; da brauste das gespenstige Fuhrwerk mit Blitzesschnelle daher. "Schurken!" rief donnernd der Berggeist, "sehet die Strafe eures verführten Kameraden!" und zermalmte den unglücklichen Knappen vor ihren Augen. Dies war das Werk eines Augenblicks, und zugleich war auch schon der Spuk wieder verschwunden. Bald darauf fanden einige Arbeiter den fast unkenntlichen Leichnam des unglücklichen Knappen, der dann mit allen bergmännischen Ehren zur Erde bestattet wurde.

Die hinterlistigen Kameraden aber wurden tiefsinnig und starben gleichfalls, einer nach dem andern, eines gewaltsamen Todes.

(Sagen aus der grünen Mark, Hans von der Sann, Graz 1911 Steiermark)
 
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MUTTER UND KIND

Es ist einmal eine Mutter gewesen und die hat ein Büble gehabt, und das ist ihr lieb gewesen wie sonst nichts auf der Welt, und das Büble wäre seiner Mutter auch durch ein Feuer gesprungen.
Aber die Mutter erkrankt und stirbt, und da ist dem Büble gewesen, als begehrte es nicht mehr zu leben, und den ganzen Tag hat es geweint.
Und auch die Nacht noch, da es hat wollen schlafen, ist ihm die Mutter in den Sinn und das Wasser in die Augen gekommen.
Wie es aber gegen Mitternacht geht und das Büble noch allweil wach und traurig in seinem Bettlein liegt, geht einermal die Tür vom Schlafkämmerlein höfele auf, und wie das Büble erschrocken schauen will, wer komme, steht seine gestorbene Mutter als Geist vor ihm, in einem schneeweißen Kleid, nur am Armel sei ein schwarzes Tüpflein gewesen.
Freundlich sagt sie zum Kind: "Gelt, Hannesle, du kennst mich noch?" "Ja, freilich kenn ich dich noch." "So gang", sagt die Mutter wieder, "und wisch dir die Augen aus und bete für mich andächtig einen Rosenkranz, daß mir da mein Tüpflein am rechten Armel vergeht, darnach bin ich ohne Makel und komm in den Himmel.
Jetzt muß ich noch geisten, weil ich, ich weiß nicht wie, einmal ein Mäßle Gerste geliehen und nicht mehr zurückgegeben habe.
Merk es, fremd Gut tut kein Gut." So sagt sie und verschwindet drauf.
Das Hannesle springt genot aus dem Bett und betet kniend einen Rosenkranz, und wie es mit dem letzten Stücklein fertig gewesen ist, so erscheint ihm die Mutter noch einmal, aber ohne Tüpfle am rechten Armel, über und über weiß wie Schnee; und lieblich wie ein Engel deutet sie gegen Himmel und sagt: "Hannesle, jetzt komm ich hinauf", und verschwindet, und dem Hannesle wird wohl ums Herz und es entschläft ruhig.

Quelle: Die Sagen Vorarlbergs. Mit Beiträgen aus Liechtenstein, Franz Josef Vonbun, Nr. 91, Seite 97
 
AW: Sagen und Legende

DAS TRÄNENKRÜGLEIN

Im Hinter-Erzbergtale, am Fuße des Reichensteins, stand eine hölzerne Hütte, welche von einem jungen Weibe bewohnt wurde.
Dieses hatte erst ihren Mann verloren und dann starb auch noch ihr Kind, kaum daß es das Licht der Welt erblickt hatte.
Da war denn die Frau arm, recht arm, und sie weinte bitterlich.
Eine gutmütige Nachbarin kam, sie zu trösten.
Sie sagte ihr: "Man soll den Toten nicht nachweinen, wenigstens nicht zu viel, denn jede Träne, die man über das Maß um sie vergießt, tut ihnen wehe; die Verstorbenen finden dann im Grabe keine Ruhe, es sei ihnen, als müßten sie wieder zu ihren Angehörigen auf der Erde zurück."

Aber diese Worte machten wenig Eindruck auf die junge Frau.
Wohl milderte sich ihr Schmerz um den Gatten, aber dem verlorenen kleinen Lieblinge weinte sie stets bittere Tränen nach.
Sehr oft verließ sie ihre Hütte und ging nach Eisenerz, um hier am Grabe ihres Kindleins, welches auf dem die Pfarrkirche St. Oswald umgebenden Friedhofe zur ewigen Ruhe gebettet worden war, zu beten und zu weinen.
Dies wollte sie auch in der hl. Christnacht tun.
Als die Mutter nach der Christmette aus der Kirche ging und ganz allein in der Friedhofecke am schneebedeckten Grabe ihres toten Kleinen niederknien wollte, sah sie sich plötzlich dem Zuge der Frau Perchtl gegenüber und dabei ihr Kind, das, so zart es war, doch einen großen Krug mit sich schleppte.

Das Kind blickte die Mutter wehmütig an und sagte: "Mutter, liebe Mutter, weine nicht! Denn schau, ich muß alle deine Tränen in diesem Krüglein auffangen und mit mir herumtragen; nun kann ich's nicht mehr, denn ach, das Krüglein ist mir jetzt schon zu schwer!"

Da seufzte die Mutter und sagte: "Ich will nicht mehr weinen, liebes Herzchen!"
Bei diesen Worten lächelte das Kind in überirdischer Glückseligkeit und verschwand dann.
Die Frau Perchtl aber sagte: "Schönen Dank, gute Mutter!
Du hast deinem ungetauft verstorbenen Kinde einen Namen gegeben und nun ist es erlöst."
Und im nächsten Augenblicke schritt der Zug der Perchtl auch schon über das Felsgebirge des Pfaffensteins dahin.

Quelle:Sagen aus der grünen Mark, Hans von der Sann, Graz 1911
 
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DAS KIND IM GANSSTEIN

Wenn man von Mürzzuschlag den Fluß abwärts dahin, schreitet, erblickt man zur Linken einen hohen Felsen, welcher der Gansstein genannt wird.
In diesem Berge befindet sich eine Höhle, in welcher große Schätze verborgen sein sollen.
Ein enger Felsspalt am linken Ufer der Mürz, aus welchem eine kleine, klare Quelle hervorsprudelt, bildet den Eingang zu dieser Schatzhöhle, welche von einem Geiste, dem Gansstein-Micherl, sorgsam gehütet wird.
In gewissen Nächten, zuweilen aber auch bei hellem Tage, soll sich dieser Felsspalt erweitern, und man sieht dann an der Quelle den Geist, gewöhnlich in der Gestalt eines kleinen, grauen Zwergleins mit gutmütigem Gesichte, erscheinen.
Von manchen ohne Verschulden in harte Bedrängnis geratenen Menschen um Hilfe angerufen, schleppte dieser Berggeist aus dem Innern der Höhle schwere Säcke Geldes auf dem Rücken herbei und beschenkte damit die Notleidenden; gar mancher Bauer im Tale und auf den Bergen des Mürzgaues verdankt ihm auf diese Weise noch von Großvaters Zeiten teer seinen Wohlstand.
Aber so hilfreich der Geist wirklich Bedürftigen beistand, so schrecklich rächte er sich an jenen, die aus unlauteren Absichten ihn anriefen.
Geizhälse neckte er auf eine grausame Weise, und solchen, die an ihn nicht glaubten oder seiner spotteten, erschien er in riesenhafter Gestalt; manche wollen ihn auch in der Tracht eines Steinbrechers gesehen haben.

Wer ohne des Geistes Wissen und Willen in das Innere des Berges gelangt, der kommt nicht mehr heraus, es sei denn, daß er etwas zurückließe, was er aber dann niemals wieder erhält.

Da lebte nun einmal in der dortigen Gegend eine Hammerschmiedin, die mit ihrer Lage nicht zufrieden war, sich anstatt ihres Kindes lieber ein besseres Leben und viel Geld wünschte, um ihre Gelüste befriedigen zu können.
Einst in einer Christnacht ging die Frau, mit ihrem Kindlein auf dem Arme, nach Mürzzuschlag zur Kirche.
Als sie zum Gansstein kam, bemerkte sie, daß sie vom richtigen Wege abgekommen sei.
Sie glaubte, auf eine Irrwurzen getreten zu sein und infolgedessen sich vergangen zu haben; am Ende wußte sie gar nicht mehr, wo sie eigentlich war.
Das Räuschen der Mürz, das sie früher so deutlich vernommen hatte, war plötzlich verstummt; im Walde, in den sie geraten war, bewegten sich kleine Lichtlein hin und her, und es wurde ihr ganz unheimlich.
Endlich bemerkte die Hammerschmiedin in der vom Mondscheine beleuchteten Steinwand des Ganssteins eine Höhle, worin sich viele Schätze befanden; ein großer Karfunkel erhellte das Gewölbe, und in diesem standen zwölf große Fässer, alle mit blinkenden Dukaten vollgefüllt.

Als die Frau diese Herrlichkeiten sah, erwachten in ihr alle früheren heimlichen Wünsche.
Sie trat in die Höhle, setzte ihr Kind auf einen Stein, füllte nun ihre Taschen und die Schürze mit Goldstücken an und verließ dann die Höhle, um schnell heimzueilen.
Unterwegs erinnerte sie sich, daß sie ihr Kind in der Höhle gelassen habe, und eilte nun hastig zurück.
Aber die Hammerschmiedin konnte die Öffnung nicht mehr finden.
Jammernd irrte sie die ganze Nacht bis in die frühe Morgenstunde bei der Wand des Ganssteins herum und bat die Leute, welche zur Kirche gingen, ihr das verlorene Kind suchen zu helfen.
Dieses war umsonst, die Mutter erhielt ihr Kindlein nicht mehr.

Bald darauf fand man in der Mürz den Leichnam der unglücklichen Hammerschmiedin; ihr Haar hatte sich fest um ein paar Baumwurzeln gewickelt.
Das Kind im Felsen aber schreit oft um seine Mutter, wie es Leute, welche um die Mitternachtszeit beim Gansstein vorübergingen, gehört haben.

Quelle:Sagen aus der grünen Mark, Hans von der Sann, Graz 1911 Österreich)
 
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DAS WEISSE KÄTZCHEN

Der Name Seefeld kommt nicht von ungefähr. Früher befanden sich in den Niederungen des Pulkautales viele Teiche und Seen. Umgeben waren die Gewässer von breiten Sumpfflächen und dichten Schilfgürteln. Es bedurfte genauer Ortskenntnis, um den richtigen Weg zu finden.
Einst ging ein armer Holzarbeiter aus dem Obritzer Wald von seiner anstrengenden Arbeit nach Hause zu seiner Familie in Seefeld. Müde und voll Sorgen stapfte er zu später Stunde heimwärts zu seiner kranken Frau und seinen vier Kindern. Schwermütig und langsam ging er durch die rabenschwarze Nacht; bald drang die Feuchtigkeit des moorigen Bodens in seine zerrissenen Schuhe. Zunächst spürte er die Nässe nicht, aber später, als ihm das Wasser in die Schuhe oben hineinrann, merkte er sehr wohl, dass er sich im Dickicht des Schilfes verirrt hatte. Er wollte nun eilig heimwärts, doch da hörte er klägliches Schreien und Wimmern. Ohne lange nachzudenken folgte er dem Rufen. Je mehr er sich dem Schreien näherte, desto lauter und eindringlicher wurde es. Als er schon sehr nahe war, merkte er, dass es sich nicht um ein Kind, sondern um das Miauen einer Katze handelte. Schon wollte er sich enttäuscht abwenden, als die junge Katze
wieder jämmerlich zu schreien begann. Da fasste er sich doch ein Herz und beschloss, das arme Tier zu bergen. Zunächst entwischte es ihm noch ein paar Mal, aber dann konnte er es schließlich doch fassen. Es war ein kleines, weißes Kätzchen, das er gerettet hatte. Dankbar schnurrte es in seinen Händen. Jetzt galt es für ihn, nur noch so rasch wie möglich nach Hause zu kommen. Je länger er aber im Schilf ging, desto weiter kam er in den Sumpf hinein. Nach langem Herumirren stand ihm das Wasser schon bis zur Brust. Da warf er erbost das Kätzchen von sich - schließlich war die Suche nach dem Tier der Grund, dass er so weit in den Sumpf gelangt war! Da fing plötzlich der Teich zu brodeln an und ein gewaltiges Unwetter kam über ihn, das Stunden dauern sollte. Erst am frühen Morgen, als sich das Wasser beruhigt hatte, und es inzwischen auch schon hell geworden war, fand der arme Mann den Weg aus dem Teich heraus.
Wie staunte er aber, als er zu den Seinen heimkam: Seine kranke Frau war über Nacht überraschend genesen und wieder völlig gesund geworden. Eine alte Frau im Ort, die den Ruf einer Wahrsagerin genoss, wusste dies zu deuten: Demnach sei das Kätzchen der Teufel gewesen. Mit dem Wegwerfen des Tieres habe der Böse auch die Macht, die er über des Holzarbeiters Frau hatte, verloren.

Quelle: (Das Weinviertel in Österreich in seinen Sagen, Thomas Hofmann, Weitra 2000, S. 64)
 
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DIE STOLZE FÖHRE

Mitten im Marchfeld steht in Straßhof hart an der Gemeindegrenze zu Bockfließ seit alters her eine große Föhre mit einer breiten Krone und weit ausladenden Ästen. Allerorten heißt sie nur die "Stolze Föhre". Der Markt Straßhof trägt sie sogar in seinem Wappen. Napoleon soll hier einst die Schlachtpläne entworfen haben. Selbst die große Kaiserin Maria Theresia wurde hier von Leuten aus Markgrafneusiedl bewirtet, so erzählt man.
In alten Zeiten lebte in den Ästen des Baumes eine gute Fee. Tagsüber saß sie in Gestalt einer Bettlerin unter dem Baum und beobachtete die Vorübergehenden. So machte sie sich ein Bild von der Gesinnung der Leute. Auch ein reicher Bauer ging mit seiner Magd täglich am Baum mit der Bettlerin vorbei. Ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen, schritt er an ihr vorbei. Seine Magd aber, die selber sehr arm war, gab der Bettlerin jeweils die Hälfte ihres Jausenbrotes. Als dies der Bauer einmal merkte, war er derart erzürnt, dass er ihr von nun an kein Brot mehr gab. Der Magd tat dies sehr Leid, sie war traurig, dass sie der Bettlerin kein Brot mehr geben konnte. So versuchte sie ihr wenigstens ein paar freundliche, aufmunternde Blicke zuzuwerfen.
Eines Tages war der reiche Bauer zu einer Hochzeit im Nachbarort eingeladen. Dort wurde bis zur mitternächtlichen Stunde gefeiert. Als er am Heimweg an der "Stolzen Föhre" vorüberging, erblickte er jedoch an Stelle des Baumes einen prächtigen Palast, in dem eine Fee und Zwerge ein rauschendes Fest feierten. Ohne lange zu zögern, trat der erstaunte Bauer ein und feierte mit der frohen Zwergenschar und der schönen Fee. Als er dann beim Morgengrauen fortging, griff er noch eifrig zu und stopfte seine Taschen voll mit den köstlichsten Speisen.
Zu Hause angekommen prahlte er vor den Seinen und griff in seine prall gefüllten Taschen. Da merkte er, dass sich seine Mitbringsel in stinkende Kuhfladen verwandelt hatten. Voll Zorn warf der bloß gestellte Bauer die Kuhfladen seiner Magd vor die Füße und sagte höhnisch: "Hier hast du Brot für deine Bettlerin!"
Als die Magd nun hinaus ging, um ihre Schürze zu reinigen, fand sie darin lauter funkelnde Dukaten. Erfreut rannte sie zur "Stolzen Föhre", um ihren Schatz mit der Bettlerin zu teilen. Dort fand sie aber an deren Stelle nun einen prächtigen Palast mit einer schönen Fee. Gerührt von der Ehrlichkeit der Magd schenkte ihr die Fee eine Menge Geld und schöne, neue Kleider. Und bald darauf wurde die ehemalige Magd die glückliche Frau eines Prinzen.


Quelle: (Das Weinviertel in Österreich in seinen Sagen, Thomas Hofmann, Weitra 2000, S. 252)
 
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MUTTERGOTTESBILD AM FELS

Wenn man unten von der Tanzwiese und dem Hof, der denselben Namen führt, zu den schroffen und steilen Felsklippen der Milseburg emporsteigt, wo seltene Blumen und Kräuter wachsen, so führt ein schmaler und steiniger Pfad zum Gipfel, welcher Pfad der Kirchweg heißt. Dem Wanderer zur Linken steht auf diesem Pfade, ganz nahe dem Weg, frank und frei auf einem Felsblock ein kleines, farbig angemaltes steinernes Muttergottesbild, den Heiland im Schoß und mit Perlen und Kränzen von frommen Händen geschmückt, aber allem Ungestüm der Witterung auf dieser rauhen Höhe ausgesetzt. Einst gedachten einige Gläubige, dieses Bild besser zu schützen, damit es nicht Schaden leide vom Sturm und Wetter, und wölbten nur wenige Schritte von der Stelle, wo das Bild stand, aber zur rechten Hand des Felsenpfades eine schützende Nische. In diese trugen sie mit Andacht das kleine Bildnis. Allein am andern Tage, als sie nachsahen, stand es wieder an seiner vorigen Stelle. Dies geschah dreimal nacheinander; dreimal wurde das Bild in die Nische getragen, dreimal kehrte es auf den vorigen Stand zurück. Daließ man dasselbe ferner unangetastet. Das Bild ist noch gar nicht so alt; es ist an seinem Fuße die Jahrzahl 1664 nebst dem Namen GEORG STEPLING zu lesen. Mächtig schützt der Segen der göttlichen Jungfrau den Ort und die Waller zur Höhe. Obgleich an gewissen heiligen Tagen Tausende diese steilen und zerklüfteten Klippen und Schluchten besteigen und beklettern, noch von keinem hat man gehört, daß er einen gefährlichen Fall getan und an seinem Leibe zu Schaden gekommen sei. Und noch heute sitzt die gute Jesusmutter am Felsenwege zur Kapelle unter einem kleinen Schirmdache frei und offen da, und noch nie ist von ihrem Schmuck auch nur das mindeste entwendet worden.

Quelle: Ludwig Bechstein, Deutsches Sagenbuch, Leipzig 1853
 
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KÖNIG GRÜNEWALD

Auf dem Christenberg in Oberhessen wohnte vor alters ein König, und stand da sein Schloß. Und er hatte auch eine einzige Tochter, auf die er gar viel hielt und die wunderbare Gaben besaß. Nun kam einmal sein Feind, ein König, der hieß Grünewald, und belagerte ihn in seinem Schlosse, und als die Belagerung lange dauerte, so sprach dem König im Schlosse seine Tochter immer noch Mut ein. Das währte bis zum Maientag. Da sah auf einmal die Tochter, wie der Tag anbrach, das feindliche Heer herangezogen kommen mit grünen Bäumen. Da wurde es ihr angst und bang, denn sie wußte, daß alles verloren war, und sagte ihrem Vater:

"Vater, gebt Euch gefangen,
der grüne Wald kommt gegangen!"

Darauf schickte sie ihr Vater ins Lager König Grünewalds, bei dem sie ausmachte, daß sie selbst freien Abzug haben sollt und noch dazu mitnehmen dürfte, was sie auf einen Esel packen könnte. Da nahm sieh ihren eigenen Vater, packte ihn drauf samt ihren besten Schätzen und zog nun fort. Und als sie eine gute Strecke in einem fort gegangen und ermüdet waren, sprach die Königstochter: "Hier wollemer ruhen!" Daher hat ein Dorf den Namen, das dort liegt (Wollmar, eine Stunde vom Christenberg, in der Ebene). Bald zogen sie weiter durch Wildnisse hin ins Gebirg, bis sie endlich einen Flecken fanden; da sagte die Königstochter: "Hier hat's Feld!" und da blieben sie und bauten ein Schloß und nannten es Hatzfeld. Dort sind noch bis auf den heutigen Tag die Überbleibsel, und die Stadt dabei hat auch von der Burg den Namen, (Hatzfeld, ein Städtchen an der Eder, im Gebirg gegen vier Stunden vom Christenberge westlich.)


Quelle: Deutsche Sagen, Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Brüder Grimm), Kassel 1816/18, Nr. 91
 
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