Das Gemüsewunder

Angelika-Marie

Sehr aktives Mitglied
Registriert
14 November 2005
Beiträge
4.795
Ort
Seit 2012 östliches Ruhrgebiet, im platten Land
Gut, das ist jetzt keine Tiergeschichte. Aber wenn wir Gemüse und Pflanzen dazuzählen, sind wir uns ja doch wieder einig.
Schließlich gibt es hier keine Rubrik: Eure Gemüsegeschichten.
Ich hab das jetzt mal hier zugeordnet, und ich glaube es steht gut.


Das Gemüsewunder

In diesem Frühling habe ich wieder ein Gemüsebeet angelegt. Die Preise gerade für frischen Salat sind mir nämlich schon lange zu hoch. Und ich muss einen ganzen Kopf kaufen, während ich allein doch nur einige Blätter täglich davon esse. Ich muss eine ganze Schachtel Rucola kaufen, wenn ich nur einige pikante Blättchen auf dem hartgekochten Ei mit geräucherterm Lachs leckern will. Der Rest verdirbt, denn ich schaffe es nicht, eine Woche lang täglich Lachs mit Ei zu essen. Von daher: Selbst-Salat-Versorgung ist für mich sinnvoller!

Diesmal versuchte ich das Beet an einer ganz neuen Gartenstelle. Die Orte, die ich die letzten 14 Jahre zur Gemüsekultur bestimmte, waren nämlich derartig Schneckenverseucht, dass ich trotz täglichem Ausstreuens von Schneckenkorn ( die Bierfallen hatte ich längst als nicht ausreichend überwunden) im Prinzip keine Ernte hatte.
Die braunen Biester fraßen alles ab, was eigentlich ich essen wollte: Jeglichen Salat sowieso, selbst den Rucola mit seinem hohen Gehalt an Senfölen, die ihn genau vor diesen Viechern schützen sollen. Meine persönlichen Gartenschnecken machen da offenbar keinen Unterschied, ihr Schneckendarm verträgt auch Meerettichwurzeln, Raddiccio und Radieschen, und wie oft habe ich schon eine, von Schneckenkorn dicht umgebene, von oben scheinbar heile Zuccini aufgehoben und von unten ausgehöhlt gefunden.

Aber mit diesem schmalen Beet wurde auf rätselhafte Weise alles anders. Die Schnecken meiden es, obwohl ich überhaupt kein Gift mehr streue.
Das neue Beet liegt auf der Rückseite eines kleinen Koniferenwäldchens. Vielleicht mögen die Schnecken nicht über die trockenen Nadeln kriechen? Aber sie könnten ja von der Wiese kommen, die es nach vorn begrenzt? Denn ein Luftlinie 5 Meter entferntes Beet ( mein Versuch der Jahre 2006, 2007 und 2008) ist so stark von ihnen befallen, dass die in diesem Jahr dort stehenden Kartoffelpflanzen - trotz Schneckenkorns - bis auf die Stiele von ihnen abgefressen sind. - Aber sie kommen nicht. Keine Schnecke geht rein. Das ist das erste Wunder.

*******
Im April habe ich den Rasensoden dort abgehoben, die Erde umgegraben, gedüngt, und Kompost aufgebracht.
Einen Abend verbrachte ich über zwei Gartenbüchern mit der Aufstellung eines genauen Pflanzplans, nach dem Prinzip, den Gemüsen jeweils gute Nachbarn zuzuordnen, damit sie auf dem schmalen Beetstreifen optimal gediehen.
Vorne links habe ich einen Streifen rote Beete gesät, dann einen Streifen Dill, dann Gurken ( mit Zaun zum ranken), dann ein Streifen Raddiccio. Es folgte etwas mittig hinten ein gekauftes Tomatenpflänzchen zu gekaufter Paprika links und rechts, dazu gekaufte Zuccini links und rechts, als Zwischensaat, bevor die Zuccini groß werden, Pflücksalat. Petersilienwurzeln zur Tomate. Nun Bohnen zu Bohnenkraut, daneben als Abgrenzung zu den Erdbeeren Spinat, dann Erdbeeren und Zwiebeln. Vorne an drei Stellen des Beetes pflanzte ich Rucola in der Staudenform.
Ganz genau habe ich die Benachbarung durchgelesen und durchgeführt. Alle Pflanzen sollten sich im Nebeneinander ergänzen und fördern, keine sollte die anderen stören oder beinträchtigen.

Im Mai, quasi als letztes, legte ich meine Bohnen. Sie durften nicht zu tief liegen, die müssen die Glocken läuten hören, sagte meine Großmutter immer. Ich streute die Bohnenkrautsamen obendrüber - denn das sind Lichtkeimer- goß an und wartete.
Drei Wochen vergingen.
Die Bohnen keimten nur sehr zögerlich und vereinzelt. Eine ganze große Tüte hatte ich gelegt, sicher 70 Stück, davon erblicken vielleicht 14 das Licht der Welt. Zwischen ihnen schossen allerdings 100fach andere Sämlinge empor, alle von der gleichen Art. Ich stand staunend davor und konnte es gar nicht fassen: Was war das nur? Ich entschied mich, es müsste das Bohnenkraut sein.
Sah aber nicht aus wie Bohnenkraut. Schon die Keimblätter waren mir verdächtig, jetzt trugen 100 und mehr starke Pflänzchen, 5 cm hoch, den ersten individuellen Blattschmuck zwischen den absolut vereinzelten Bohnen.
Von einem besonders starken Schößling brach ich einen Teil des fünfzipfelig gezackten Blattes ab, schnupperte daran. Es roch stark auf eine Weise, aber absolut nicht nach Bohnenkraut.
Der Geruch war mir bekannt, die Blattform auch. Mein Auge suchte vergleichend die schon 70 cm hohen Tomatenstaude.
Ja, es stimmte: Was hier in meinem Bohnenbeet wuchs und sich als Bohnenkraut ausgab, waren hunderte von Tomaten! - Nein!
Mei, mei, mei! Man kann man mit dem Pflanzplan so genau sein wie man will - es kommt doch ganz anders als man denkt.
Der Tomatenbefall war das zweite Wunder.

********


Ich holte die Bohnenkrautsamentüte aus der Schublade - ich hatte sie nicht gänzlich aufgebraucht - drauf stand: Bohnenkraut. Ich erinnerte mich, diese Tüte bei Mac Billig im Vorbeigehen für 29 Cent gekauft zu haben. Das Zeug muss falsch abgepackt gewesen sein!

Ich wollte die Tomaten nun ausreissen und fortwerfen, aber meine Hundegehfreundin Vera reklamierte sie für sich. Sie wollte sie überall in der Natur auspflanzen, wo sie mit den Hunden ginge, vielleicht würde die eine oder andere doch noch Früchte tragen?
Ich erklärte ihr, dass Tomaten Starkzehrer seien, und von daher auch in meinem Bohnenbeet nicht gedeihen würden, denn der Boden sei dort mager, deshalb hatte ich ja die Bohnen dorthin gepflanzt, damit sie mit ihren Knöllchenbakterien die Erde für nächste Saat mit Stickstoff anreicherten. Doch Vera blieb unbeirrt, und so wurde ich meine ungewollte Tomatenzucht los.
Bis auf drei, die ich in einen Kübel mit Misterde setzte - und die heute 1.50 Meter hoch sind und sich unter der Last ihrer Früchte biegen.

Ich habe dann Bohnen nachgelegt, neues Bohnenkraut gekauft und ausgesät, und nachdem ich einige Zeit dachte, das würde wieder nichts, sind doch zumindest die Bohnen dann ordentlich aufgegangen. Bohnenkraut, sehe ich heute, Ende August immer noch keins.

In der Zwischenzeit hatte sich eine einzelne Sonnenblume zwischen den Bohnen ausgesät. Ich erkannte sie relativ früh und rupfte sie nicht als Unkraut aus.

**********

Seit Mitte Juni ging es schon ans ernten. Von dem Pflücksalat holte ich mir täglich so viele Blätter wie ich essen wollte, und mischte sie mit dem üppig wuchernden Rucola. Im Juli war der Spinat erntefähig und verwandelte sich zwei Tage hintereinander in ein leckeres Gemüse zu Schweinefilet mit Gorgonzola. Als Nachtisch gab es die Erdbeeren. Die Buschbohnen erntete ich vorletzte Woche das erste Mal, eine zweite Ernte wächst heran. Regelmäßig pflücke ich die Zuccini.
Der Spinat-Beetstreifen wurde nun frei. Was sollte ich danach sähen? Ich liebäugelte mit Fenchel. Im nächsten Sommer hätte ich Fenchelknollen!
Doch - es kam ganz anders.
Ich hatte schon bemerkt, dass sich wieder irgendetwas ausgesät hatte. Eine Pflanze die ich nicht kannte.
Die ersten fünf Exemplare riss ich noch aus und ließ nur eines stehen, damit ich es, wenn es blühen und fruchten würde, bestimmen könnte. Aber nachdem ich einige Zeit später wieder hinguckte, hatte ich schon wieder hundert!

Am folgenden Nachmittag bekam ich Besuch von meinen Hundegehfreundinnen, ich zeigte ihnen das ominöse Kraut, wir rätselten zu dritt, was es sein könnte. Ein Nachtschattengewächs wie die Tomate, da war ich mir eigentlich ziemlich sicher. Aber in Gottesnamen, welches? Wir besprachen nochmal das Bohnenkrautwunder, was sich ja als hundert Tomaten entpuppt hatte.
Und da kam ich auf die Idee mit dem Kompost. Möglicherweise hatte ich die Tomaten gar nicht als Bohnenkraut ausgesät?
Sie hatten vielleicht in meinem Kompost gesteckt, wie auch die Sonnenblume? Denn auch zwischen den Gurken und den Erdbeeren zeigten sich inzwischen welche.
- Was mochte in meinem Kompost noch drinstecken?
Immer wieder ging ich zum Beet und schaute mir die unbekannten Pflanzen an, es ließ mir keine Ruhe.
Und dann hatte ich es: Physalis! Ich habe die kleinen gelben Früchte Winters gern gegessen und sicher immer wieder einige nicht mehr so gute auf den Kompost geworfen.
Anschließend googelte ich, und es stimmt!

http://www.kuebelpflanzeninfo.de/exot/physalis.htm
http://de.wikipedia.org/wiki/Kapstachelbeere

In meinem wunderbaren Beet wächst soeben zwischen Tomaten, Gurken, Pflücksalat und Bohnen eine starke Physaliskultur heran! Hauptsächlich auf dem abgeernten Spinatstreifen!
Ich lach mich schlapp! Dieses Beet ist das Beste, was ich je hatte! So klein es ist, es ist wirklich für tolle Überraschungen gut!



Im Juli habe ich diese Fotos gemacht:











Also, alles was im Beet so aussieht ist Physalis. Sie wachsen auch zwischen den Bohnen. Das Spinatbeet ist bei diesen Fotos noch nicht einmal angeschnitten. Es beginnt da, wo das Foto unten aufhört.







Lieben Gruß,
Geli :blume2:
 
Werbung:
AW: Das Gemüsewunder

:g14: Eine herrliche Geschichte ist das wieder einmal, danke dafür! :danke:

Du hast ja mir scheint den berühmten Grünen Daumen! Schön, dass Deine Gemüseernte so unerwartet reichlich ausgefallen ist. Lass Dir die gesunden grünen Dinger gut schmecken! :kuss1:
 
AW: Das Gemüsewunder

Hallo, ich hab mich bei Deiner Geschichte köstlich amüsiert, und ich bewundere Dich !
Du bist (abgesehen vom Eigenleben Deiner Pflanzen) nicht nur eine exzellente Gärtnerin, sondern auch eine tolle Autorin !
Sehr, sehr nett !
Liebe Grüße

Heckenrose und Sugar
 
Werbung:

Ähnliche Themen

Zurück
Oben