Angelika-Marie
Sehr aktives Mitglied
Hallo liebe Foris,
ich möchte einmal ein interessantes Thema anschneiden, in der Hoffnung, dass sich viele mit ihren Meinungen und Erfahrungen beteiligen.
Und zwar geht es mir darum, dass unsere Hunde aufgrund negativer, oder auch nicht vorhandener Erfahrung, eine Situation mitunter falsch einschätzen. Was tut Ihr dann?
Wenn man das nicht zügig aufräumt, kann es dazu führen, dass die von dem Hund getroffene falsche Verknüpfung ein Hundeleben lang anhält und immer wieder zu Angst/Aggression beim Tier und Ärger/Überforderung beim Menschen führt.
Wie geht Ihr damit um, um so etwas aufzulösen?
Ich will einmal ein paar Beispiele nennen:
Zu den harmlosesten Fällen der Fehleinschätzung aufgrund nicht vorhandener Erfahrung, gehört der kleine Junghund, der zu ersten Mal einen Scheemann im eigenen Vorgarten entdeckt, den die Kinder dort hinbauten während er schlief. Meine letzte Hündin machte ein irres Bell-Theater um den Kerl, den sie mit aller Kraft vertreiben wollte.
Und je wenigerer der sich von der Stelle rührte, um so mehr sträubten sich ihre Nackenhaare. Da ist die Lösung ja einfach. Man geht mit dem Hund hin und stellt ihm den Herrn Schneemann vor. Die Sache wurde positiv gelöst, gutes Aha- Erlebnis für Junghund, der lacht.
Nächster Fall: Junghund, ohne Leine auf Wiesen am Fluss, sieht zum ersten Mal einen Angler. Mit Regenpellerine und Angel.
Riesentheater! Noch bevor man reagieren kann, hat Junghund den Angler mit gesträubtem Fell gewaltig angebellt - und ihm alle seine Fische verscheucht.
Auch nicht so schwer. Man nimmt Junghund am Halsband, beruhigt ihn, entschuldigt sich bei Angler, beginnt ein kleines Gespräch, in dessen Verlauf Junghund mitbekommt, dass Angler nicht gefährlich sind. = Positives Erlebnis für Junghund, der lacht.
Next: Junghund wird von einem anderen Hund - hastdunichtgesehen - beim einfachen Vorbeigehen an der Leine angefallen und leicht gebissen. In unserem Fall war das auf dem Parkplatz vor einer Hundewiese. Hund verbindet nun einfachenfalls, sofern kurz danach positive Erlebnisse mit anderen Hunden folgten: Der Ort, an dem ich mich gerade an der Leine befand und gebissen wurde, ist schlecht. Die Schneemannhündin von oben konnte diesen Platz die 13 Jahre ihres Lebens nicht mehr betreten ohne zu zittern und sich hinter meinen Beinen zu verstecken.
Das war nun nicht so schlimm, denn weiter hinten auf der Hundeweise wurde es besser. Sie hatte das Gebissenwerden eindeutig mit DIESEM Parkplatz verknüpft. Ich bekam das aber auch in 13 Jahren nicht weg. Auch in den langen Jahren später nicht, in denen Lucy auf dem Parkplatz nicht gebissen wurde.
Es blieb also ein ungeklärtes, unbearbeitetes Negativerlebnis auf diesen Ort bezogen übrig, eines, was durch keine positive Erfahrung aufgehoben werden konnte.
Es gibt aber auch den Fall, und ich fürchte der ist häufiger, dass früh gebissene Hunde, Angst vor ihren eigenen Artgenossen entwickeln. Die jetzt anderthalbjährige Hündin einer Hundegehfreundin wurde ( vor unserer Bekanntschaft) zweimal von anderen Kötis gezwackt. Wenn sie nun fremde Hunde sieht, beginnt sie angstvoll zu jaulen und sich hinter ihrem Frauli zu verstecken, solange, bis sie die gemeinsam passiert haben.
Jetzt ist die Freundin eigentlich eine ganz rigorose, die nie auf die Idee käme ihr Hundemädrl zu verzärteln. Sie hat sich also anfangs nicht groß um Laras Angst gekümmert, sondern ist einfach weitergegangen, mit dem Ergebnis, dass Lara, alleingelassen, nun mit gesträubtem Nackenfell angstbellend auf fremde Hunde zustürzte und sie von sich aus beissen wollte.
Nach dem Motto: "Ich kann nicht anders! Ich bin in Bedrängnis! Diesmal beisse ich zuerst!"
Das kann sich ein Hundeleben lang halten, und aus einem anfänglich freundlichen Hund kann ein so ein beissender Hund werden.
Ich habe die Freundin jetzt mehrfach aufgefordert, Laras Angst anzunehmen, indem sie sich ihr zuwendet, sie auch kurz am Halsband hält, was ihr Sicherheit gibt, und ihr aufmunternd zuredet. "Ja, da sind die anderen Hunde! Aber komm, du schaffst das! Da gehen wir jetzt ein bisschen näher! Na guck! Geht doch! Prima machst du das!"
Hund seelisch aufbauen. Versuchen, die gemachte Negativerfahrung durch viele kleine positive zu tilgen.
Das klappt jetzt auch schon ganz gut. Dadurch dass Lara und Bonnie so dick befreundet sind, dass sie sich selbst um einen Knochen nicht streiten, sondern ihn sich gegenseitig spielerisch aus dem Maul nehmen können, und Bonnie keine Angst vor anderen Kötis hat - zusammen mit Fraulis neuem, annehmenden Engagement - ist Lara etwas selbstsicherer und heiler geworden.
Sie läuft jetzt auch schon mal spontan mit Bonnie zu fremden Hunden hin, bis ihr nach zwei Minuten wieder einfällt, dass die ja eigentlich beissen könnten.
Und dann ist es Sache ihres Fraulis, sie kurz zu streicheln, ihren Kummer damit anzunehmen, und sie mit aufbauenden Worten wieder zurückzuschicken.
Es muss noch hinzugefügt werden: Lara ist ein Airdaleterrier-Mix. Also ein richtig großer Hund.
Nun wird es schwieriger.
Aus der Nachbarschaft:
Ein 8jähriger Bernhardinerhund, Paul, erlebt mehrmals die alkoholkranke, im Stadium der Trunkenheit randalierende und Möbel zerschmetternde Mutter einer Familie. Er tut ihr nichts, denn er kennt sie ja von früher, als sie noch okay war. Doch er bekommt zunehmend Angst vor ihr. Wenn sie gerade mal wieder aus der Klinik entlassen ist, versteckt er sich vor ihr im Garten.
Für den Hund ungeklärtes, unbearbeitetes Negativerlebnis 1.
Die junge, gerade erwachsene Tochter nimmt den Hund zu sich. Leider entpuppt sich das früher so angenehme Tier jetzt als Allerweltsteufel. Sobald ihre Freunde zu Besuch kommen, sie Feten feiern wollen, und auch nur irgendwer etwas Alkohol trinkt, beginnt er denjenigen wie rasend anzubellen. Er 'hasst' buchstäblich auf Leute die Alkohol trinken, gleichzeitig hat er Angst vor ihnen.
Für den Hund ungeklärtes Negativerlebnis 2.
Der große Bernhardiner, vor dem nun alle Angst haben, muss in ein anderes Zimmer gesperrt werden und dort für sich bleiben.
Ungeklärtes, unbearbeitetes Negativerlebnis 3.
Paul beginnt inzwischen, bei Spaziergängen an der Leine, unbekannte Leute auf der Straße anzuknurren, anzubellen, und mit Körperkraft - anspringen und ins Gesicht bläffen - zu "stellen". Die junge, zierliche Tochter mit ihren 21 Jahren kann ihn kaum mehr halten.
Er hat offensichtlich eine Art inneres Bild in seinem dicken Schädel entwickelt, welche Leute aus seinem GUT-Raster fallen, welche ihm gefährlich werden könnten, welche in seinen Augen 'böse' sind.
So kommen täglich weitere unbearbeitete Negativerlebnisse hinzu.
Ich weiß noch nicht, was aus Paul wird. Bis jetzt ist die junge Anna noch zuversichtlich, es mit der Zeit hinzubekommen.
Denn die Zeit ist eine Komponente, die bei fortschreitend positiven Erfahrungsmomenten immer heilt.
Was aber, wenn wir das Gebaren des Hundes falsch einschätzen? Wenn wir die Angst, die hinter seiner Aggression steckt, mit unberechtigtem Zorn verwechseln? Wenn wir ihn für die geäußerte Angst auch noch strafen?
Oder: Was müssen wir an seinem Fehlverhalten bei Fehlinterpretation strafen, und wo sollten wir geduldig sein und aufbauen?
Das ist eine ganz feine Grenze. Wie geht Ihr damit um?
Erkennt Ihr des Hundes Fehlinterpretation überhaupt?
Ich komme mit durch Batidas Thread "Maddox hat gebissen"
auf dieses Thema, obwohl ich es schon vorher oft thematisieren wollte. Aber das war aktuell der Auslöser. Ich schätze Batida sehr sehr und ahne, dass sie und ihr Partner jetzt genau diese klitzekleine Grenze finden müssen.
Ich füge mal meine letzten Gedanken bei:
:https://www.tierliebe.at/forum/showpost.php?p=148999&postcount=12
Einen lieben Gruß,
Geli :blume2:
ich möchte einmal ein interessantes Thema anschneiden, in der Hoffnung, dass sich viele mit ihren Meinungen und Erfahrungen beteiligen.
Und zwar geht es mir darum, dass unsere Hunde aufgrund negativer, oder auch nicht vorhandener Erfahrung, eine Situation mitunter falsch einschätzen. Was tut Ihr dann?
Wenn man das nicht zügig aufräumt, kann es dazu führen, dass die von dem Hund getroffene falsche Verknüpfung ein Hundeleben lang anhält und immer wieder zu Angst/Aggression beim Tier und Ärger/Überforderung beim Menschen führt.
Wie geht Ihr damit um, um so etwas aufzulösen?
Ich will einmal ein paar Beispiele nennen:
Zu den harmlosesten Fällen der Fehleinschätzung aufgrund nicht vorhandener Erfahrung, gehört der kleine Junghund, der zu ersten Mal einen Scheemann im eigenen Vorgarten entdeckt, den die Kinder dort hinbauten während er schlief. Meine letzte Hündin machte ein irres Bell-Theater um den Kerl, den sie mit aller Kraft vertreiben wollte.
Und je wenigerer der sich von der Stelle rührte, um so mehr sträubten sich ihre Nackenhaare. Da ist die Lösung ja einfach. Man geht mit dem Hund hin und stellt ihm den Herrn Schneemann vor. Die Sache wurde positiv gelöst, gutes Aha- Erlebnis für Junghund, der lacht.
Nächster Fall: Junghund, ohne Leine auf Wiesen am Fluss, sieht zum ersten Mal einen Angler. Mit Regenpellerine und Angel.
Riesentheater! Noch bevor man reagieren kann, hat Junghund den Angler mit gesträubtem Fell gewaltig angebellt - und ihm alle seine Fische verscheucht.
Auch nicht so schwer. Man nimmt Junghund am Halsband, beruhigt ihn, entschuldigt sich bei Angler, beginnt ein kleines Gespräch, in dessen Verlauf Junghund mitbekommt, dass Angler nicht gefährlich sind. = Positives Erlebnis für Junghund, der lacht.
Next: Junghund wird von einem anderen Hund - hastdunichtgesehen - beim einfachen Vorbeigehen an der Leine angefallen und leicht gebissen. In unserem Fall war das auf dem Parkplatz vor einer Hundewiese. Hund verbindet nun einfachenfalls, sofern kurz danach positive Erlebnisse mit anderen Hunden folgten: Der Ort, an dem ich mich gerade an der Leine befand und gebissen wurde, ist schlecht. Die Schneemannhündin von oben konnte diesen Platz die 13 Jahre ihres Lebens nicht mehr betreten ohne zu zittern und sich hinter meinen Beinen zu verstecken.
Das war nun nicht so schlimm, denn weiter hinten auf der Hundeweise wurde es besser. Sie hatte das Gebissenwerden eindeutig mit DIESEM Parkplatz verknüpft. Ich bekam das aber auch in 13 Jahren nicht weg. Auch in den langen Jahren später nicht, in denen Lucy auf dem Parkplatz nicht gebissen wurde.
Es blieb also ein ungeklärtes, unbearbeitetes Negativerlebnis auf diesen Ort bezogen übrig, eines, was durch keine positive Erfahrung aufgehoben werden konnte.
Es gibt aber auch den Fall, und ich fürchte der ist häufiger, dass früh gebissene Hunde, Angst vor ihren eigenen Artgenossen entwickeln. Die jetzt anderthalbjährige Hündin einer Hundegehfreundin wurde ( vor unserer Bekanntschaft) zweimal von anderen Kötis gezwackt. Wenn sie nun fremde Hunde sieht, beginnt sie angstvoll zu jaulen und sich hinter ihrem Frauli zu verstecken, solange, bis sie die gemeinsam passiert haben.
Jetzt ist die Freundin eigentlich eine ganz rigorose, die nie auf die Idee käme ihr Hundemädrl zu verzärteln. Sie hat sich also anfangs nicht groß um Laras Angst gekümmert, sondern ist einfach weitergegangen, mit dem Ergebnis, dass Lara, alleingelassen, nun mit gesträubtem Nackenfell angstbellend auf fremde Hunde zustürzte und sie von sich aus beissen wollte.
Nach dem Motto: "Ich kann nicht anders! Ich bin in Bedrängnis! Diesmal beisse ich zuerst!"
Das kann sich ein Hundeleben lang halten, und aus einem anfänglich freundlichen Hund kann ein so ein beissender Hund werden.
Ich habe die Freundin jetzt mehrfach aufgefordert, Laras Angst anzunehmen, indem sie sich ihr zuwendet, sie auch kurz am Halsband hält, was ihr Sicherheit gibt, und ihr aufmunternd zuredet. "Ja, da sind die anderen Hunde! Aber komm, du schaffst das! Da gehen wir jetzt ein bisschen näher! Na guck! Geht doch! Prima machst du das!"
Hund seelisch aufbauen. Versuchen, die gemachte Negativerfahrung durch viele kleine positive zu tilgen.
Das klappt jetzt auch schon ganz gut. Dadurch dass Lara und Bonnie so dick befreundet sind, dass sie sich selbst um einen Knochen nicht streiten, sondern ihn sich gegenseitig spielerisch aus dem Maul nehmen können, und Bonnie keine Angst vor anderen Kötis hat - zusammen mit Fraulis neuem, annehmenden Engagement - ist Lara etwas selbstsicherer und heiler geworden.
Sie läuft jetzt auch schon mal spontan mit Bonnie zu fremden Hunden hin, bis ihr nach zwei Minuten wieder einfällt, dass die ja eigentlich beissen könnten.
Und dann ist es Sache ihres Fraulis, sie kurz zu streicheln, ihren Kummer damit anzunehmen, und sie mit aufbauenden Worten wieder zurückzuschicken.
Es muss noch hinzugefügt werden: Lara ist ein Airdaleterrier-Mix. Also ein richtig großer Hund.
Nun wird es schwieriger.
Aus der Nachbarschaft:
Ein 8jähriger Bernhardinerhund, Paul, erlebt mehrmals die alkoholkranke, im Stadium der Trunkenheit randalierende und Möbel zerschmetternde Mutter einer Familie. Er tut ihr nichts, denn er kennt sie ja von früher, als sie noch okay war. Doch er bekommt zunehmend Angst vor ihr. Wenn sie gerade mal wieder aus der Klinik entlassen ist, versteckt er sich vor ihr im Garten.
Für den Hund ungeklärtes, unbearbeitetes Negativerlebnis 1.
Die junge, gerade erwachsene Tochter nimmt den Hund zu sich. Leider entpuppt sich das früher so angenehme Tier jetzt als Allerweltsteufel. Sobald ihre Freunde zu Besuch kommen, sie Feten feiern wollen, und auch nur irgendwer etwas Alkohol trinkt, beginnt er denjenigen wie rasend anzubellen. Er 'hasst' buchstäblich auf Leute die Alkohol trinken, gleichzeitig hat er Angst vor ihnen.
Für den Hund ungeklärtes Negativerlebnis 2.
Der große Bernhardiner, vor dem nun alle Angst haben, muss in ein anderes Zimmer gesperrt werden und dort für sich bleiben.
Ungeklärtes, unbearbeitetes Negativerlebnis 3.
Paul beginnt inzwischen, bei Spaziergängen an der Leine, unbekannte Leute auf der Straße anzuknurren, anzubellen, und mit Körperkraft - anspringen und ins Gesicht bläffen - zu "stellen". Die junge, zierliche Tochter mit ihren 21 Jahren kann ihn kaum mehr halten.
Er hat offensichtlich eine Art inneres Bild in seinem dicken Schädel entwickelt, welche Leute aus seinem GUT-Raster fallen, welche ihm gefährlich werden könnten, welche in seinen Augen 'böse' sind.
So kommen täglich weitere unbearbeitete Negativerlebnisse hinzu.
Ich weiß noch nicht, was aus Paul wird. Bis jetzt ist die junge Anna noch zuversichtlich, es mit der Zeit hinzubekommen.
Denn die Zeit ist eine Komponente, die bei fortschreitend positiven Erfahrungsmomenten immer heilt.
Was aber, wenn wir das Gebaren des Hundes falsch einschätzen? Wenn wir die Angst, die hinter seiner Aggression steckt, mit unberechtigtem Zorn verwechseln? Wenn wir ihn für die geäußerte Angst auch noch strafen?
Oder: Was müssen wir an seinem Fehlverhalten bei Fehlinterpretation strafen, und wo sollten wir geduldig sein und aufbauen?
Das ist eine ganz feine Grenze. Wie geht Ihr damit um?
Erkennt Ihr des Hundes Fehlinterpretation überhaupt?
Ich komme mit durch Batidas Thread "Maddox hat gebissen"
auf dieses Thema, obwohl ich es schon vorher oft thematisieren wollte. Aber das war aktuell der Auslöser. Ich schätze Batida sehr sehr und ahne, dass sie und ihr Partner jetzt genau diese klitzekleine Grenze finden müssen.
Ich füge mal meine letzten Gedanken bei:
:https://www.tierliebe.at/forum/showpost.php?p=148999&postcount=12
Einen lieben Gruß,
Geli :blume2: